Nahe am Nordteich, in einer dunklen Nische, entdecke ich zufällig die Grabstelle der Familie Petersen. Das interessiert mich, denn wir haben gemeinsame Vorfahren und deshalb kenne ich einige Mitglieder. Der Name ist in Norddeutschland sehr gebräuchlich und ohne mein Vorwissen, wäre ich wahrscheinlich an der unauffälligen Grabstätte vorbeigegangen. Aber nach der Größe und Lage zu urteilen, kann es sich nur um die Bürgermeisterfamilie handeln. Und damit liege ich richtig. Sie haben gleich dreimal den ersten Bürgermeister in Hamburg gestellt. Erst der Großvater Carl Friedrich Petersen (1809-92), dann sein Enkel Carl Wilhelm (1868-1933) und schließlich dessen Bruder Rudolf Hieronymus Petersen (1878-1962).

 

 

Die Familie war sehr vermögend. Carl Wilhelm Petersen galt einer der reichsten Hamburger seiner Zeit. Die Söhne konnten nach der Schule das Akademische Gymnasium besuchen, wo sie für die Universität vorbereitet wurden. Dort wurde damals in lateinischer Sprache gelehrt und wer dieser nicht mächtig war, scheiterte schon bei der Einschreibung. Gerne wurden die Namen in latinisierter Form geschrieben und auch der Heimatort wurde mehr oder weniger originell sprachlich neu erfunden. Aus ‚Hans Berger‘ wurde dann ‚Johannes Montanus‘ und schon konnte das Studium in Angriff genommen werden.

Gleich der erste in der Familie Petersen, der in das hohe Amt berufen worden war, war vielleicht auch der bedeutsamste. Er, Carl Friedrich Petersen, war etliche Jahre erster Bürgermeister zu Hamburg. Damals machte man das noch ehrenamtlich und war deshalb immer nur für ein Jahr damit beauftragt. Allerdings konnte man danach unbegrenzt oft wiedergewählt werden. Wer es sich finanziell leisten konnte und die eigene Firma bereits in die Hände der Söhne gelegt hatte, war in der Lage viele öffentliche Ämter auszuüben.

 

Die Hamburger haben ihrem Bürgermeister Carl Friedrich Petersen ein Denkmal am Neuen Wall gesetzt.

 

Die Grabanlage gibt nicht viel her. Man muss schon näher herantreten und versuchen die verwitterten Schriften auf den Bodenplatten zu lesen, um herauszufinden, wer hier begraben wurde. Es sind alle drei Bürgermeister mit Frauen und einigen Kindern. Eine Kerze steht auf dem Sockel des Gedenksteines. Irgendjemand hat sie hier abgestellt. Ganz in der Nähe sind weitere Bürgermeister der Hansestadt begraben. Deren Grabstellen findet man links und rechts an der Norderstrasse. Ich kann mir leicht vorstellen, wie damals der Leichenwagen hier anhielt, gezogen von Rappen mit glänzendem Fell und schwarzer Feder am Kopf. Dahinter folgten Senatoren und Familienangehörige, die Herren im Frack und Zylinder.

Auf einer der Platten finde ich dann auch den Namen des bedeutenden Bürgermeisters: Carl Friedrich Petersen, 1809-1892, verheiratet mit Kathinka Hasche. Ihre Tochter Antonie war mit dem Dirigenten Hans von Bülow und dessen Frau Cosima Wagner eng befreundet. Sie setzte sich erfolgreich für die Ehrenbürgerschaft des Komponisten Johannes Brahms ein. Heute freuen wir uns, wenn wir seine Musik in der Elbphilharmonie erklingen hören.

 

 

Dann sehe ich auch die Grabplatte von Carl Wilhelm Petersen. Er war Hamburgs Erster Bürgermeister von 1924 bis 33. Mit einer zweijährigen Pause ab 1930. Er kam im Jahre 1868 zur Welt und starb im Alter von 65 Jahren (1933). Nach dem Krieg wurde sein Bruder Rudolf von den Engländern als Erster Bürgermeister ausgewählt. Er führte Hamburg durch die ersten Monate, bis eine ordentliche Wahl wieder möglich war. Rudolf war zehn Jahre jünger als sein Bruder und starb erst 1962.

Alle drei Bürgermeister, die die Familie Petersen stellte, führten Hamburg durch schwere Zeiten. Carl Friedrich Petersen hatte es mit den Franzosen zu tun, die von Napoleon geführt, ganz Nordeuropa besetzt hatten. Den fatalen Hamburger Brand (1842) hatte Petersen hautnah erlebt. Zusammen mit seinem Vater rettete er die Grundbücher aus dem lichterloh brennenden (alten) Rathaus. Seine beiden Enkel mussten sich mit der Politik des Nationalsozialismus auseinandersetzen. – Wir sind zwar nur entfernt verwandt, aber trotzdem bedaure ich spontan keine Blume dabei zu haben. Zum Glück lässt sich das nachholen.

 

An dem Familiegrab läuft man schnell vorbei. Es liegt versteckt im Schatten der Bäume.