Eine Fototour auf dem Friedhof wagen, um Tiere in freier Natur zu beobachten? Passt das zusammen? In Hamburg schon. Ohlsdorf ist der größte Parkfriedhof der Welt und wurde bewusst so natürlich wie möglich belassen. Schon Gründer Wilhelm Cordes formulierte seine Vorstellung in klaren Worten: „Der Friedhof soll nicht eine Stätte der Toten und der Verwesung sein. Freundlich und lieblich soll alles dem Besucher entgegentreten und dadurch der Ort aus der umgebenden Landschaft herausgehoben und geweiht werden“. Das hat er realisiert und es wurde bis heute beachtet und respektiert.
Ich bin früh am Nordteich. Etwas zu früh, denn der Hochnebel hängt noch tief am Himmel. Es ist unangenehm kalt. Ich bin ganz alleine unterwegs und genieße die harmonische Ruhe. Nur die Enten machen schon einen ziemlichen Lärm, wir sind mitten in der Paarungszeit. Dann entdecke ich plötzlich einen Graureiher. Er streckt seinen langen Hals in die Luft und ich kann ihn gut sehen.
Als ich mich nähere, gehe ich leider einen Schritt zu weit. Der Reiher fühlt sich bedroht, breitet seine Flügel aus und hebt ab. Mir tut es leid, ihn gestört zu haben. Also drehe ich auch ab und gehe um den See herum. An der anderen Seite komme ich fast wieder an die Stelle, wo ich den Reiher gesichtet hatte. Und tatsächlich ist er noch immer dort. Aber auf sicherer Höhe. Er steht auf dem Zweig einer Fichte, wohl in gut vier Meter Höhe. Das hätte ich dem Schreitvogel gar nicht zugetraut. Für mich eine willkommene Gelegenheit, doch noch ein gutes Foto von ihm zu bekommen.
Ich hatte auf den Eisvogel gehofft, aber der lässt sich nicht blicken. Wäre auch zu schön gewesen. Es ist vielleicht noch zu früh. Jedenfalls scheint mir Graugans Nr. 279 (Fußring) das sagen zu wollen. Sie schaut mich ziemlich verärgert an. Gut, dann nicht. Dann komme ich eben nächste Woche wieder und dann lasse ich euch länger ausschlafen. Versprochen.
Und was hätte Cordes dazu gesagt? Nun, wir wissen es, denn es ist überliefert: „Der Mensch ist nicht dazu da, die Harmonie der Natur durch seine Eingriffe zu stören, sondern sie mit behutsamer Hand zu ergänzen und zu vervollkommnen.“ Okay, ich werde es beachten. ‚Lesson learned‘, wie der Engländer sagt.