Nach langer Pause war ich endlich mal wieder mit meiner Kamera unterwegs. April und Mai waren kalt und nass. Der Frühling 2021 war höchst unerfreulich. Er forderte unsere Geduld, aber diese Disziplin beherrschen wir inzwischen meisterlich. Wahrscheinlich habe ich den Ohlsdorfer Friedhof während der gesamten Coronazeit nicht ein einziges Mal besucht, war also seit gut 500 Tagen nicht mehr dort! Eigentlich wäre der Park ein idealer Platz gewesen, um dem Virus zu aus dem Weg zu gehen. Doch nach etlichen Wochen strikter Isolation war mir die Lust zur Mobilität abhandengekommen. Nachdem ich mich Zuhause eingeigelt hatte, vermisste ich die Welt nicht länger. Ich war zwar alleine und spürte manchmal Langeweile, fühlte mich aber sicher und geschützt. Warum also das vertraute Nest verlassen?

Dann aber änderte sich endlich das Wetter und die Sonne lockte mich nach draußen. Wenn man ungestört spazieren gehen möchte, dann ist der Ohlsdorfer Parkfriedhof immer eine gute Wahl. Mir begegneten sehr wenige Leute am frühen Sonntagmorgen. Und noch weniger Autos waren unterwegs. Es fiel mir auf, aber ich dachte nicht weiter darüber nach. Der Park ist so weitläufig, dass die Besucher auf Auto oder Bus angewiesen sind, sonst sind die Wege zu weit. Und nicht wenige nutzen die ruhigen Straßen auch, um ihren täglichen Weg zur Arbeit abzukürzen bzw. die Staus auf den regulären Straßen zu umfahren. Nirgends kommt man schneller voran, als auf dem Friedhofsgelände. Verkehrskontrollen habe ich dort nie gesehen, man hält das wohl für unangemessen. Es wäre aber sinnvoll. Nun hat man eine andere Möglichkeit gefunden, um den immer stärkeren Durchgangsverkehr zu stoppen. Man hat mitten im Park eine Schranke errichtet. Prima Idee.

Die Durchfahrt von West (Ohlsdorf) nach Ost (Bramfeld) und umgekehrt ist damit nicht mehr möglich. Wer eine bestimmte Kapelle aufsuchen will, muss sich vorher entscheiden, welche Einfahrt die richtige ist. Für mich ist die Schranke keine Hürde, denn sie liegt ziemlich zentral und wenn ich dort parke, kann ich alle Teile des Friedhofs zu Fuß erreichen. Allerdings muss ich dafür maximal eine halbe Stunde Fußweg einplanen und der Rückweg dauert natürlich noch einmal dreißig Minuten.

 

 

Änderungen sind selten willkommen. Man hat seine Gewohnheiten und auf einmal führen die eingeübten Pfade nicht mehr ans Ziel. Das verursacht meistens Bauchschmerzen. Andererseits bieten Neuerungen die Chance, dem Trott der Gewohnheit zu entkommen. Und so passierte es auch mir. Ich musste mir einen neuen Weg suchen und schon entdeckte ich Ecken, die ich noch nie aufgesucht hatte. Schon fand ich einen Hinweis auf eines der vielen prominenten Gräber, die man auf dem Ohlsdorfer Friedhof finden kann. Ein kleines Schild machte mich auf die Grabstätte von Loki und Helmut Schmidt aufmerksam. Dem Wegweiser folgte ich gerne, denn die beiden gehören sicherlich zu den bekanntesten Hamburger Persönlichkeiten.

Der Ort überraschte mich, denn er gehört nicht zu den ausgewiesenen Stellen, wo prominente Frauen oder Männer ihre Ruhestätte haben. Eher ein Platz so ‚mittendrin‘. Auf halber Strecke zwischen alten und neuen Friedhofsteil und nahe an einer der großen Straßen, die durch den Park führen. Kaum war ich dem Hinweis-Schild gefolgt, stand ich auch schon vor der Grabstelle.

Schlicht, praktisch, gepflegt. Ganz so wie wir das Ehepaar Schmidt erinnern. Bloß ‚keen Opstand moken‘, scheint das Motto zu sein. Ich hatte mit etwas Größerem gerechnet, aber das war eine falsche Erwartung. Der Ort ist keine öffentliche Erinnerungsstätte, sondern ein privates Familiengrab. Also kehrte ich um, ging die paar Schritte zurück, bis ich wieder an der breiten Straße ankam. „Warum haben die beiden bloß hier ihre Grabstelle gekauft?“, frage ich mich. Und die Antwort kam mir prompt in den Sinn: „Weil es zweckmäßig ist.“ Hier kommt jeder einfach und schnell hin, egal ob mit dem eigenen Auto oder Bus. Das könnte eines der Argumente gewesen sein, die zur Wahl dieses Platzes geführt hatten. So waren sie halt, die Schmidts, stets praktisch denkend und hanseatisch unkompliziert.

 

 

Ich hatte vor vielen Jahren Gelegenheit, dem Ehepaar persönlich zu begegnen. Damals war Helmut Schmidt Bundeskanzler und ich durfte ihn in Bonn als Gast (und SPD Mitglied) besuchen. Drei Tage verbrachten wir in der damaligen politischen Hauptstadt. Ich erlebte Herbert Wehner und Franz Josef Strauß live in einer Bundestagsdebatte. Und am nächsten Tag fand ein Treffen mit Hans-Jürgen Wischnewski statt, der uns aus seinem aufregenden Leben erzählte. Der letzte Abend wurde durch eine Einladung in der Hamburger Botschaft gekrönt. Ein ausgiebiges Abendessen fand zusammen mit dem Kanzler und seiner Frau statt. Sie hatten viel Zeit für unsere Fragen und dann ergab sich noch die Gelegenheit für mich ein längeres Gespräch mit Loki Schmidt alleine zu führen. Wir sprachen über Naturschutz und fanden heraus, dass wir beide dieselben Orte in Hamburg aufsuchen und genießen. Unter anderem das Raakmoor in Langenhorn. Das ist jetzt fast vierzig Jahre her, aber die Begegnung hatte mich so sehr beeindruckt, dass ich mich noch heute gut daran erinnere. Mein Besuch an der Grabstätte riefen die Bilder gleich wieder ins Gedächtnis.

Wenn Sie demnächst eine bestimmte Kapelle oder ein Grab auf dem Ohlsdorfer Friedhof aufsuchen wollen und mit dem Auto unterwegs sind, dann müssen Sie sich für die ‚richtige‘ Einfahrt entscheiden. Entweder man kommt vom Westen über die Fuhlsbütteler Straße oder man fährt vom Osten über die Bramfelder Chaussee auf das Gelände. Zusätzlich gibt es kleinere Ein-/Ausfahrten und für die Fußgänger noch einige weitere Zugänge zum Park. Wer den Bus benutzt, muss sich keine Gedanken machen; die haben freie Durchfahrt. Eine Karte mit genauer Lage der Schranke ist auf der Webseite des Ohlsdorfer Friedhofs zu finden und auch hier bei mir.