Den Titel habe ich mir von Goethe ausgeliehen, ich hoffe, es ist ihm recht. Mit den einfachen Worten forderte er seine Leser auf, bereit zu sein, sich auch einmal selbst zu ändern. Falls nötig sogar tiefgreifend, was schmerzhaft klingt, aber nicht sein muss. Die Natur macht es vor, sie ändert sich permanent. Wir können uns dem Prozess gar nicht entziehen, jedenfalls nicht auf der körperlichen Ebene. Kontinuierlich entsteht Neues. Wir merken es nicht, denn es geschieht so langsam und harmonisch, dass unsere Aufmerksamkeit gar nicht erst geweckt wird. Erst, wenn wir längerfristige Vergleiche anstellen, können wir Unterschiede feststellen. Übrigens, eines der Gründe, die dafür sprechen, ein Tagebuch zu schreiben.

Heute Morgen folgte ich zwar nicht Goethes Aufforderung, aber meiner inneren Stimme, die mir sagte, ich sollte endlich mal wieder mit der Kamera losziehen. Ein kleiner Spaziergang wird mir guttun, nach den dunklen, viel zu faulen Winterwochen. Gestern lockte mich auch die Sonne, heute hatte sie es aber schwer, denn dicker Hochnebel lag über der Stadt. Ich griff vorsichtshalber zum Schal und den Handschuhen, was sich als klug erwies. Es war noch verdammt kalt und die Feuchtigkeit machte es nicht besser. Trotzdem war ich froh und ein wenig stolz, endlich mal wieder in Bewegung zu sein. Sofort stellte sich ein Gefühl der guten Laune ein. Mehr kann man nicht erwarten. Der Tag begann besser als viele zuvor.

Ich hatte mir ein Mini-Programm überlegt, war auf der Suche von Grabsteinen ehemaliger Hamburger Bürgermeister. Zu meiner Freude war die Schranke, die den Friedhof in zwei Teile trennt, noch immer dauerhaft geöffnet, sodass ich problemlos bis zum Haupteingang Ohlsdorf fahren konnte. Dort ist der alte Teil des Friedhofs und dort sind die Ehrengräber zu finden. Aber ich hatte keinen Erfolg. Von den Wegen aus war keiner der Namen zu sehen und durch das nasse Gras wollte ich lieber nicht stiefeln, weil mir die Kälte so langsam in die Knochen kroch. Bloß keine nassen Füße bekommen, dann wäre alles aus. 

Kein Besucher war zu dieser Zeit unterwegs, nur Gärtner traf ich an, die jetzt viel zu tun haben. Die Gräber müssen von den schützenden Tannen befreit werden, damit Platz für frische Bepflanzung entsteht. Schon bald werden die Stiefmütterchen die Gedenkstätten schmücken. Vereinzelt haben Angehörige schon Körbe mit Tulpen und Narzissen aufgestellt. Sie können der Nachtkälte offenbar gut trotzen.

Die erste Februarhälfte ist schon vorbei, bald beginnt der Frühling. An diesem nebligen, kühlen Morgen konnte ich das allerdings nirgends sinnlich erfahren. Aber dann entdecke ich doch noch einige kleine versteckte Boten. Es waren erste, zarte Schneeglöckchen, die sich an einer einzigen Stelle aus der sicheren Erde gereckt hatten. Morgen, übermorgen, werden es schon etliche mehr sein. Und als ich mich tief bücke, um ein Foto von den ersten frischen Blumen zu machen, da fielen mir Goethes Worte ein: Es ist an der Zeit …