Nein, heute kein Wort übers Wetter. Ausrutschen und stolpern kann man auch sehr gut auf sprachlichen Terrain und das habe ich letzte Woche in Perfektion geübt. Davon will ich erzählen.

Am Mittwochabend waren wir, George und ich, im Garden Gate mit einem bunten Bekanntenkreis verabredet. Gemeinsamer Nenner: Einer oder auch beide Partner waren deutsch, deutschsprachig oder wenigstens mal auf dem Kontinent gewesen. Für den durchschnittlichen Engländer ein Abenteuer, weil gefühlt ziemlich weit weg. Gewohnte Urlaubsziele sind dem Engländer Südfrankreich, Mallorca, Korsika und überall sonst auf der Welt, wo Englisch gesprochen wird. Also bevor man Deutschland besucht, womöglich sogar den östlichen Teil, fliegt man lieber mal eben nach Neuseeland. Kein Problem.

Wir trudelten um 19:00 Uhr ein, -die last order wird um 22:45 Uhr ausgerufen, da bleibt nicht viel Zeit-, und alle stellten sich natürlich gleich, und nur, mit Vornamen vor. So lernte ich in wenigen Minuten John, Maria, Ben, Millie, Diane, Mike, eigentlich Michael, und noch einen John kennen, nur um die Namen sofort wieder zu vergessen. Man wird / ich werde alt!

Wie die meisten bestellte ich diesmal ein dunkles Guiness. Sehr lecker, sehr bekömmlich und gar nicht so stark wie viele vermuten. Wir hatten einen großen Tisch, aber einige standen auch, dann rutscht es besser, und überhaupt bewegt man sich viel und gerne im Pub.

Musik, Geschnatter, Gelächter, der Geräuschpegel war hoch. Dann baute sich vor mir ein mir gänzlich unbekannter Mann auf und fragte: “Happy?” „Ähhh, ye, ähh what??? Why you ask me if I’m happy?“ Spinnt der? Das geht ihn doch gar nichts an. „Oh, sorry, I ask for John Happy. Is he already here?“ „Ach so, keine Ahnung.“ George kommt mit einer neuen Runde Guiness im Arm an. Genau richtig jetzt.

Die ganze Zeit schon habe ich John (1) im Blick; er starrt pausenlos auf sein mobile (nicht Handy). Sporadisch hält er das Display seiner Frau Susan vors Gesicht, dann widme er sich wieder alleine der Tastatur. Susan ist Engländerin mit guten Deutschkenntnissen. Begierig schnappt sie jedes Wort auf, das ich sage, denn ich wechsel ständig zwischen Deutsch und Englisch. Mit der Zeit verstehe ich, dass John (1) telefonischen Sicht-Kontakt zu Snowball hält. Ein Terrier, wie Susan rasch erklärt, der sich wo auch immer befindet. Hat man ihm ein Babyphone installiert? Ich verstehe es nicht und frage mich, ob der Hund im Sommer einen anderen Namen trägt.

Nun zieht auch Mike sein iPhone aus der Tasche. Weil ich neben ihm stehe, erklärt er mir jetzt alle Vorzüge, die das neue Modell hat. Mike, eigentlich Michael, spricht Deutsch. Ein Landsmann. Das sprachliche Heimspiel zahlt sich aber nicht aus, denn alle Begriffe, die die technischen Features betreffen, die er mir aufzählt, sind längst in die deutsche Sprache eingerührt worden. Egal. Ihm macht es Freude und ich lasse ihn reden. Schließlich preist er das neue Retina-Display in höchsten Tönen und schwärmt von der reflexfreien und super-armen Spiegelung.

Die ganze Zeit hängt uns Susan an den Lippen und nun ist der Moment da, auf den sie gewartet hat. Endlich kann sie ihre Deutschkenntnisse unter Beweis stellen: „Was? Das kann Darmspiegelung? Really?“ „Was!!!?? Nein, nicht Darm. Nur Spiegelung. “The retina display is anti-reflective.” 
Ich kriege mich vor Lachen nicht wieder ein. Dicke Tränen laufen mir über die Backen. Kaum kann ich wieder atmen, reicht ein Blick zu Mike, den es nicht minder schüttelt. Wir lachen uns gerade tot.

„Did I incorrectly used the word?“, meldet Susan sich jetzt schüchtern zurück. Sie hat immer noch nicht verstanden, was uns so belustigt. Mike japst „colonoscopy“ zurück und ich frage mich, woher er den Begriff kennt? Hat er sich gerade untersuchen lassen? In diesem Moment taucht George neben mir auf. Er hat wohl die letzte Bemerkung von Mike mitbekommen und fragt sich, ob seine medizinischen Kenntnisse gefragt sind. Ich falle ihm um den Hals um dort weiter abzulachen. Das scheint ihm zu genügen. Die nächste Runde Guiness ist fällig.

John (1) steckt endlich sein mobile in die Hosentasche. Wahrscheinlich ist Snowball eingeschlummert. In dem Moment drückt sich ein älterer Mann auffallend eng an mir vorbei und flüstert: „Äham, fancy a shag?“ Ich kann damit nichts anfangen, weiß auch nicht, ob ich es richtig verstanden habe, bin aber froh, dass der unsympatische Kerl gleich weiter Richtung Ausgang geht.

Milly, in England geboren und Lehrerin für deutsche Sprache, -ja, Deutsch wird an der Schule gelehrt (!)-, erzählt schon die ganze Zeit begeistert von der hen party, die bald stattfinden soll und zu der sie eingeladen ist. Der Bräutigam lädt seine mates zur stag party ein; so wird der Junggesellenabschied von Braut und Bräutigam bzw. Huhn und Hirsch, gefeiert. Die Männer lassen es üblicherweise hochprozentig krachen. Da wurde schon manche Trauung verschoben, weil der Bräutigam nur mit Slip bekleidet an irgendeinem Laternenpfahl gefesselt war.

Auch diese stag party soll unvergesslich werden und deshalb haben sich die Männer zum Rosenmontagszug in Düsseldorf verabredet. Dort will man sich noch mal richtig die Kante geben. Man holt meine Meinung dazu ein. „Good choice. Da fallt ihr gar nicht auf. It’s ideal for a last minute drinking session.“ Man dankt für meine freundlichen Worte.

Inzwischen ist George wieder aufgetaucht. Er hat wohl was von marriage gehört und ahnt Schlimmes. Gute Gelegenheit ihn endlich zu fragen, was der Kerl mir vorhin zugeraunt hat. Er wird es doch wohl verstehen. Also frage ich: „What’s about a shag?“ Für einen Moment scheint er geschockt zu sein. Dann ein breites Grinsen, das Bierglas wird auf dem Tresen abgestellt und schon zieht er mich zur Tür. Aber ich will noch nicht gehen und leiste Widerstand. Er grinst immer noch, schüttelt den Kopf und schon steuern wir wieder zu den anderen zurück. Gerade rechtzeitig, denn John (2) verteilt die x-te Runde Guiness. „Your health!“ „Yes, down the hatch!“

Gegen 11 sind wir wieder zu Hause. Der kurze Fußweg hat gutgetan. Ein bißchen auslüften. Nichts wie schlafen. – Am Samstag fällt mir wieder der blöde Schnack ein, jetzt will ich endlich wissen, was „fancy a shag“ bedeutet. Aber George frage ich lieber nicht. Das finde ich schon alleine raus. Es dauerte noch Tage bis Maggie, best friend, mich endlich aufklärt. Es war eine eindeutige Anmache. „Wie wäre es mit uns beiden“, oder eigentlich „… mit einer Nummer“. Na, das ist ein starkes Stück. Erklärt aber auch so einiges.

Also wenn Sie einen höchst vergnüglichen Abend erleben wollen, laden Sie sich ein Dutzend netter Menschen ein, möglichst alle Altersklassen und ganz wichtig wenigstens zwei, besser drei verschiedene Sprachen. Der Spaß ist garantiert. Und falls doch einer einen Streit vom Zaun bricht, merkt es keiner, denn niemand kann ihn verstehen. Herrlich! Gelebte Völkerverständigung am Tresen.

 

Englischer Humor lässt sich an allen Ecken finden: