Manchmal hat man Glück und es kommt noch besser als geplant. Statt Paris düst König Charles III. nun gleich nonstop von London nach Berlin. Zusammen mit Ehefrau Camilla besucht er den Bundespräsidenten, der zusammen mit seiner Frau zum persönlichen Freundeskreis zählt. Man rollt den roten Teppich aus und begrüßt das Königspaar mit allen militärischen Ehren, die die Bundeswehr bieten kann. Das wird die beiden Engländer nicht beeindrucken, zu Hause können sie täglich Prunkvolleres vor der eigenen Haustür erleben. Aber der gute Wille zählt, darauf kommt es an.
In der englischen Presse nimmt der erste ausländische Staatsbesuch des Monarchen beim deutschen Nachbarn viel Raum ein. Kein Wunder, denn dass sich Charles ausgerechnet ein europäisches Land ausgesucht hat, ist von Bedeutung. Sicherlich wurde es mit der Regierung abgesprochen, da sind dem König die Hände stärker gebunden, als man vermuten könnte. Nachdem Frankreich aber kurzfristig abgesagt hatte, rückten wir unverhofft ins Scheinwerferlicht. Der Engländer amüsiert sich derweil über die Franzosen, die deutlich radikaler streiken als er selbst. Als in Paris der Ruf nach der Guillotine laut wurde, bekam Macron verständlicherweise kalte Füße. Wenn der Engländer streikt, nutzt er den arbeitsfreien Tag für ein Treffen mit Gleichgesinnten auf dem Trafalgar Square, wo man sich gegenseitig den mitgebrachten Tee aus der Thermosflasche anbietet. Danach kehrt man friedlich zurück nach Hause, mit Zwischenstopp im local pub. Andere Länder, andere Sitten.
Heute Abend findet ein großes Gala-Diner in Berlin statt. Das findet ungewohnte Aufmerksamkeit bei den Engländern. Besonders die eingeladene deutsche Verwandtschaft zu den Windsors wird argwöhnisch studiert. Da kommen Prinzen von Hessen und Baden nach Berlin geeilt, die eng mit Charles verwandt sind. Sie sind Cousins, weil ihre Mütter Geschwister vom verstorbenen Prinz Philip waren. Das galt damals, bei seiner Hochzeit, als Staatsgeheimnis, denn die deutschen Damen hatten allesamt ein schlechtes Händchen bei der Auswahl ihrer Gatten. Sie ehelichten ausnahmslos Nazis in hohen Rängen bei der SS. Da schweigt man dann lieber, auch wenn man als Nachgeborener keine Schuld trägt.
Dass
Dass wir überhaupt noch Prinzen und Prinzessinnen haben, wundert die Engländer. “Yes a bit odd to have such titles when Germany last had a Kaiser over 100 years ago”, kommentiert jemand. Ich habe nie wahrgenommen, dass man die Queen und ihren Ehemann mit Vorwürfen zur deutschen Verwandtschaft konfrontiert hat, bei ihrem Sohn Charles scheint es anders zu sein. Er wird heftig kritisiert und badet das Erbe aus. So kommt es manchmal. Mancher ruft ihm hinterher, dass er am besten gleich in Deutschland bleiben soll. Kurzum, mich hat es dann doch überrascht, wie viel Kritik und Ablehnung geäußert wird. Vermutlich war seine Mutter so beliebt und geachtet, dass damals niemand wagte etwas Negatives (laut) zu sagen.
Zum Schluss noch eine nette Anekdote. Sie bezieht sich auf den Besuch von Queen Elizabeth II. im Jahr 1978 in Deutschland. Damals wurde sie von Walter Scheel begrüßt, der stets so auftrat, als wäre er in einem englischen Internat groß geworden (vielleicht war es ja auch?) Jedenfalls herrschte sofort Harmonie zwischen der Königin und dem Bundespräsidenten. Bis dann die Nachfrage nach dem Gastgeschenk kam. Elisabeth hatte nämlich, gar nicht schüchtern, wissen lassen, dass sie hocherfreut wäre, falls man ihr zwei Kutschpferde überlassen würde. Auf ihrem Wunschzettel ging sie ins Detail: “I would be delighted with a gift of two coach hoarses. One Holsteiner around 17hh with a coat that was not too light and not too dark.” Das zweite Pferd sollte eine graue Fellfarbe haben, aber bitte nicht zu ‘schmutzig’. Eigentlich eine große Ehre für Deutschland, denn die Pferde sollten in London die königliche Kutsche ziehen. Das Problem war der Preis. Ein Pferd, wie sie es verlangte, würde heute gut 60.000 Euro kosten, beide zusammen also weit über 100.000 Euro. Das ist ein Preis, der haushoch über dem liegt, was man üblicherweise für ein Gastgeschenk vorsieht. Walter Scheel schluckte und akzeptierte. Die Anfrage wurde über den Dienstweg (der war damals lang: über Herrn Gruppenleiter, an Herrn Abteilungsleiter 2, an den Chef des Bundeskanzleramtes) an den Kanzler weitergeleitet, der zustimmen musste, weil letztlich der Steuerzahler die Rechnung übernehmen würde. Doch der Bundeskanzler, damals Helmut Kohl, reagierte anders. Er schrieb in roter Tinte eine dickes “Nein!” über die Anfrage und ließ sie zurückgehen. Er hatte noch den Protest von Maggie Thatcher in den Ohren, die von der EU ihr Geld zurückhaben wollte. Das hatte ihn übel verstimmt und nun musste die Königin darunter leiden. Sie ließ sich nichts anmerken, kehrte aber tatsächlich ohne die erwünschten Rösser zurück. Zum Glück haben die Engländer viel grünes Land, wo erstklassige Pferde gezüchtet werden. Aber natürlich keine Hannoveraner …
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Als Königin Elizabeth im Mai 1965 der Bundesrepublik den ersten Besuch nach dem Zweiten Weltkrieg anbot, stand auch Hamburg auf ihrer Reiseroute. Es war herrliches Wetter, wie es sich zu einem solchen Anlass gehört, und ich stand mit meinen Eltern am Straßenrand. Man hatte mir eine Fahne in die Hand gedrückt, den Union Jack aus Papier, der mir optisch sofort gefiel, sodass ich ihn kaum schwenkte. Ich hatte Angst, es könnte etwas kaputtgehen und das sollte mit dem guten Stück auf keinen Fall passieren. Ich war zehn Jahre alt, hatte schulfrei bekommen, was alleine ein Grund zur Freude war. Nach langem Warten näherte sich endlich die Schutz-Polizeistaffel auf ihren Motorrädern, die ‘weiße Mäuse’ genannt wurden, denn sie trugen eine weiße Uniformjacke. Dahinter ein paar große Limousinen und dann der offene Mercedes mit Bürgermeister Weichmann und der Englischen Königin an seiner Seite. Ich war sehr beeindruckt und kann mich noch heute relativ gut an den Moment erinnern. Übermorgen, wenn Charles und Camilla in Hamburg sind, werde ich wohl Zuhause bleiben. Aus Sicherheitsgründen hat man bisher nicht konkret bekannt gegeben, wann die beiden, wo zu sehen sind. Und dann steht auch noch kaltes Wetter mit viel Regen ins Haus. Also lieber Charles, nicht böse sein, diesmal bin ich nicht unter den Jubilanten. Wir holen das Treffen in London nach, das kann ich schon jetzt fest versprechen.