4. April 1974
An diesem frühen Frühlingstag kehrt eine Legende zurück. Das Schiff von Sir Francis Drake, die Golden Hinde, segelt an diesem Tag durch die weit geöffnete Tower Bridge. Tausende stehen am Ufer, jubeln und staunen. Die meisten reiben sich vermutlich die Augen, weil das Segelschiff viel kleiner ist, als sie vermutet hatten. Immerhin hatte Sir Francis damit als erster die Welt umsegelt. Es war das Flaggschiff seiner kleinen Flotte (5 Schiffe) und doch ist es keine 40 Meter lang.
Klar, was dort gerade vor ihren Augen die Themse entlang segelt, ist ein Nachbau. Immerhin war Drake mit seinen Schiffen bereits 1577 aufgebrochen. Die Umrundung des Erdballs auf den Meeren sollte volle drei Jahre lang dauern. Aber die Restaurateure haben sich größte Mühe gegeben und so genau gearbeitet wie nur irgend möglich. Die neue Golden Hinde sollte dem Original möglichst genau gleichen, besonders in den Abmessungen.
Das schmucke Segelschiff wird ein Schwimmdock anlaufen. Man findet es am Südufer der Themse, gleich hinter der Tower Bridge. Dort wird die Golden Hinde eine der unzähligen Attraktionen sein, die London seinen Besuchern bieten kann. Im Dock, das meistens trocken liegt, wirkt das Schiff noch zierlicher. Es ist ausgesprochen schlank (5,60 m breit) und hat nur 2,70 m Tiefgang. Trotzdem waren neben der 60 Mann starken Besatzung auch noch drei Kanonen an Bord. Es muss verdammt eng gewesen sein, jedenfalls zu Beginn der abenteuerlichen Reise.
Als Francis Drake aufbrach, prangte am Bug seines Flaggschiffes ein anderer Name, nämlich ‘Pelican’. Erst während der Route wurde das Schiff umgetauft. Vermutlich wollte Drake seinem Geldgeber, Sir Christopher Hatton, eine Freude machen. Der führte nämlich einen Hirsch in seinem Familienwappen und genau das ist Bedeutung von ‘Hinde’ (Hirschkuh).
Ich hätte vermutlich eher auf einen Namen wie ‘Whale’ oder ‘Walrus’ gesetzt, denn die Schwimmfähigkeit der Hirsche ist begrenzt. Aber der Name war in diesem Fall keine schicksalhafte Voraussage und so gelang Drake und seinen Männern Unmögliche.
Noch heute wäre das Unternehmen mehr als riskant. Man könnte es mit dem durchaus seetüchtigen Nachbau versuchen, aber ich hätte nicht den Mut. Immerhin dauerte die ‘Famous Voyage’ damals 1.018 Tage, die meiste Zeit davon ununterbrochen auf See. Sie hatten keine Karten, keine Vorstellung, was sie erwarten würde. Viele befürchteten noch immer am Rand der Erdscheibe einfach runterzufallen. Trotzdem gelang das Unternehmen. Kaum waren die Seehelden zurück, brach Streit mit den Spaniern aus. Die beanspruchten den Ruhm, als erste die Welt umsegelt zu haben. Immerhin war der Portugiese Magellan bereits 1525 aufgebrochen. Ob er wirklich die vollständige Umrundung geschafft hatte, wird bis heute diskutiert. Die Engländer haben sich jedenfalls klar entschieden. Ihrem Mann, Sir Francis Drake, gehört der ruhmreiche Titel.